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Mit langem Atem in den Gerichtssaal

 

Jost Müller-Neuhof gewinnt Journalistenpreis

Tagesspiegel-Redakteur Jost Müller-Neuhof kämpft seit Jahren um Akteneinsicht beim Staat - auch vor Gericht streitet er gegen "Geheimniskrämerei und Arroganz" von Behörden. Der Jurist bekam am Dienstagabend für sein Engagement und seinen „langen Atem“ den gleichnamigen Preis vom Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) in der Berliner Akademie der Künste verliehen.

Der Erstplatzierte Jost Müller-Neuhof nehme seine Leser an die Hand und führe sie durch den Paragrafen-Dschungel, sagte „Cicero“-Chefredakteur Christoph Schwennicke in der Laudatio über den Gewinner.

Seit Jahren kämpft Müller-Neuhof – auch vor Gericht – für die Einhaltung des Informationsfreiheitsgesetzes, das allen Personen den Zugang zu Informationen und Daten von Bundesbehörden zusichert. Damit Gesetze eingehalten werden, müsse man sie kennen und auf sie bestehen, sagte er.

Der Tagesspiegel-Redakteur animierte deshalb seine Kollegen dazu, auf das Auskunftsrecht zu bestehen. Journalisten müssten darauf beharren, den Staat zu kontrollieren.

Journalismus in „atemlosen“ Zeiten

Denn als Journalist anerkannt zu werden, sei in Zeiten von PEGIDA nicht einfach.

Journalisten werden zunehmend verbal und sogar körperlich durch „Lügenpresse“-Vorwürfe von PEGIDA-Anhängern attackiert. „Sie treten das Grundrecht der Pressefreiheit mit Füßen, teilweise wortwörtlich“, sagte der JVBB-Vorsitzende Alexander Fritsch in der Eröffnungsrede. Außerdem kritisierte er die Rolle des Staates: „Für Journalisten ist der Verfassungsschutz mittlerweile die Fortsetzung von PEGIDA mit anderen Mitteln“. Denn der Staat schütze das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, aber nicht das der Pressefreiheit.

Aber auch durch zunehmenden Zeit- und Produktionsdruck würde den Journalisten ihre Berufsaufgabe immer weiter erschwert. Volker Wieprecht (radioeins, rbb), der als Moderator durch den Abend führte, sprach von „atemlosem Journalismus“, in dem die Zeit für tiefgehende Recherche immer knapper wird.

Wie der Abend für Jost Müller-Neuhof verlief, hören Sie hier

Auszeichnungen für investigativen Journalismus

Aber es gibt Journalisten, die trotzen diesen Entwicklungen: Die Zeit für ausführliche Recherche haben sich neben Jost Müller-Neuhof noch weitere Journalisten genommen. Aus den neun Nominierten wurde Hajo Seppelt zum Zweitplatzierten gewählt. In seinen Dokumentarfilmen für die ARD recherchierte er Zusammenhänge und Machenschaften im Doping-Geschäft. Seppelts Recherchen in Russland und Kenia haben Leichtathletikverbände in diesen Ländern und auch den internationalen Verband unter großen Druck gesetzt: Wegen seiner Arbeit wurde gar über einen Ausschluss des russischen Teams bei der Olympiade in Brasilien diskutiert.

„Die Jury ist komplett unabhängig“

Dass der Gewinner des ersten Preises letztlich ein Journalist vom Tagesspiegel ist und der Chefredakteur derselben Zeitung in der Jury saß, habe keine Rolle gespielt, versicherte Gastgeber Alexander Fritsch: „Die Jury hier ist komplett unabhängig". Sie setzt sich seit neun Jahren traditionell aus Vertretern der großen Medienhäuser in Berlin und Brandenburg zusammen. Der Versuch eigene Leute zu platzieren, funktioniere nicht, so Fritsch.

Nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung feierten Nominierte, Preisträger, Jury und Kollegen schließlich noch bei Häppchen, Getränken und einladender Berlin-Mitte-Kulisse am Pariser Platz. Doch so nett der journalistische Austausch auch war – gegen Mitternacht leerte sich die Akademie der Künste – am nächsten Tag standen Recherchen an. Mit langem Atem. Gegen die Wiederstände von Staat und „Lügenpresse“-Gesellschaft.


Info:

Für den „Langen Atem“ kann grundsätzlich jeder jeden vorschlagen. Nach einer Erstauswahl durch eine Vorjury, bleiben am Ende neun Nominierte übrig. Mit ihnensetzt sich eine achtköpfige Jury auseinander. Vergeben werden die ersten drei Plätze, die jeweils mit 3.000, 2.000 und 1.000 Euro dotiert sind.

von Theresa Held und Raja Kraus

Denn als Journalist anerkannt zu werden, sei in Zeiten von PEGIDA nicht einfach.

Journalisten werden zunehmend verbal und sogar körperlich durch „Lügenpresse“-Vorwürfe von PEGIDA-Anhängern attackiert. „Sie treten das Grundrecht der Pressefreiheit mit Füßen, teilweise wortwörtlich“, sagte der JVBB-Vorsitzende Alexander Fritsch in der Eröffnungsrede. Außerdem kritisierte er die Rolle des Staates: „Für Journalisten ist der Verfassungsschutz mittlerweile die Fortsetzung von PEGIDA mit anderen Mitteln“. Denn der Staat schütze das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, aber nicht das der Pressefreiheit.

Aber auch durch zunehmenden Zeit- und Produktionsdruck würde den Journalisten ihre Berufsaufgabe immer weiter erschwert. Volker Wieprecht (radioeins, rbb), der als Moderator durch den Abend führte, sprach von „atemlosem Journalismus“, in dem die Zeit für tiefgehende Recherche immer knapper wird.